Code Civil


Geburt einer neuen Welt, aus Kölner Stadtanzeiger,von Carl Dietmar.


Der Code Napoléon, 1808 auf Deutsch erschienen, hatte eine immense Bedeutung für die europäische Rechtsentwicklung.

Der Code Napoléon gilt als das einflussreichste und wirkungsmächtigste Zivilgesetzbuch Europas. In seinem Exil auf Sankt Helena bezeichnete General Bonaparte, wie der abgesetzte Kaiser der Franzosen im Sprachgebrauch der Sieger hieß, das französische Zivilgesetzbuch, den Code civil, als sein größtes Werk: „Mein Ruhm beruht nicht auf den 40 gewonnenen Schlachten, Waterloo wird die Erinnerung an diese Siege verdrängen - doch was nichts auslöschen kann, was ewig bleiben wird, ist mein Code civil.“ Tatsächlich: Wie kein anderes Gesetzbuch sollte der Code civil, als juristisches Meisterwerk und als Verkünder individueller Freiheiten, Einfluss auf die Rechtsordnung Europas (und anderer Teile der Welt) nehmen - und zugleich die Entwicklung der modernen bürgerlichen Gesellschaft vorantreiben.

Mit der Arbeit an einem Zivilgesetzbuch war im revolutionärem Frankreich 1793 begonnen worden. Als Erster Konsul setzte Napoleon Bonaparte 1800 das Gesetzgebungswerk fort; eine vierköpfige Kommission vollendete es - begleitet von außergewöhnlicher Anteilnahme des Konsuls. In 57 von 102 Arbeitssitzungen führte er persönlich den Vorsitz, „mit einer Logizität und einem praktischen Sinn, der alle erstaunte“, wie sich einer der Mitwirkenden erinnerte. 1804 trat das Gesetzbuch als „Code civil des Francais“ in Kraft - er umfasste 2281 Artikel und war in vier Teile gegliedert, Einleitung, Personenrecht, Sachenrecht sowie Erb-, Schuld-, Ehegüter-, Pfand- und Hypothekenrecht.

Gleichheit vor dem Gesetz

Obwohl der Code die Prinzipien und Errungenschaften der Revolution auf zivilrechtlicher Ebene umsetzte, war er keineswegs „nur“ deren Gesetzbuch. Im Nachwort zum jüngst erschienen Nachdruck der deutschen Erstausgabe von 1808 bemerkt die Rechtshistorikerin Barbara Dölemeyer: „Der Code civil stellt einen Ausgleich zwischen überliefertem französischen Recht und den Ideen des vernunftgeprägten Naturrechts sowie der Revolution dar.“ Erstmals waren Eigentum, Leben und Person - auch gegen staatliche Eingriffe - gesetzlich geschützt, vor Richter und Gesetz waren alle Bürger gleich; zudem verkündete der Code Napoléon, wie er seit 1807 (bis 1814) genannt wurde, die Trennung von Kirche und Staat.

Die Kodifikation war der Auftakt zu einer umfassenden Neuordnung des gesamten französischen Rechtswesens, der Zivilprozessordnung, des Handelsrechts, der Strafprozessordnung sowie des Strafrechts. „Wohin Napoleons Gesetzbuch kommt, da entsteht eine neue Zeit, eine neue Welt, ein neuer Staat“, soll der bayerische Strafrechtler Paul Johann Feuerbach damals geäußert haben. Infolge der französischen Vormachtstellung in Europa wurde der Code civil schon bald jenseits der Grenzen des Empire übernommen. Mehr oder weniger freiwillig führten einige Rheinbundstaaten das Gesetzbuch ein. Im Königreich Westfalen, wo Napoleons Bruder Jérome regierte, wurde der Code Napoléon 1808 in deutscher und französischer Sprache veröffentlicht (auf dieser Ausgabe basiert der Nachdruck).

Nach dem Sturz des Kaisers blieb sein Gesetzbuch, nun wieder Code civil genannt, in Frankreich weiter in Geltung - und darüber hinaus in Belgien und Luxemburg, inhaltlich übernommen wurde es von den Niederlanden, Spanien, Portugal, Rumänien und den meisten Staaten Südamerikas. In Teilen des befreiten Deutschlands hatte man dagegen nichts Eiligeres zu tun, als die moderne Kodifikation aufzuheben und durch das alte, zersplitterte „einheimische“ Recht zu ersetzen. Mancherorts wurde das Gesetzbuch, als „französischer Unrat“ denunziert, sogar verbrannt.

Schwieriger gestaltete sich die Situation in den linksrheinischen Gebieten, die Frankreich 1801 annektiert hatte. Hier waren umfangreiche Reformen durchgeführt worden, in der Reichsstadt Köln hatte man erst unter französischer Herrschaft die Religions- und Gewerbefreiheit eingeführt, erst seit 1797 durften sich wieder Protestanten und Juden in Köln niederlassen. Auf dem Wiener Kongress hatte man beschlossen, große Teile des Rheinlandes dem Königreich Preußen zuzuschlagen. In den neuen Westprovinzen wurde gleich nach der Inbesitznahme das preußische Staats- und Verwaltungsrecht verkündet - auf dem Gebiet des bürgerlichen und des Strafrechts galt aber nach wie vor die französische Rechtsordnung, die, von rheinischen Juristen zäh verteidigt, nun „Rheinisches Recht“ genannt wurde.

Schätzenswerte Vorzüge

Nach dem Willen des Königs sollten die napoleonischen Gesetze allmählich von den Vorschriften des - eher rückschrittlichen - „Allgemeinen Preußischen Landrechts“ abgelöst werden. Doch im Rheinland hatte man mittlerweile die Vorzüge des französischen Rechtssystems zu schätzen gelernt - eine königliche „Immediat-Justiz-Commission“, die auf Betreiben des Staatskanzlers Hardenberg die Gesetzgebung im Rheinland vorbereiten sollte, registrierte allenthalben den Wunsch nach Beibehaltung des „Rheinischen Rechts“.

Ein erfahrener rheinischer Jurist, Heinrich Gottfried Wilhelm Daniels, der erste Präsident des Rheinischen Appellationsgerichtshofes, unterbreitete schließlich 1817 eine Kompromissformel: Bis zur umfassenden Reform des preußischen Rechts, die der König in Aussicht gestellt hatte, sollte die französische Gesetzgebung als „Zwischenlösung“ in Kraft bleiben. Diese „Zwischenlösung“ sollte dann bis 1900 dauern. Dann erst trat an ihre Stelle das Bürgerliche Gesetzbuch.“

Dem Artikel, der alles recht harmlos formuliert, muss hinzugefügt werden, dass es sich beim Code Civil um einen klaren Rechtspositivismus handelt.