Vor 475 Jahren: König Heinrich VIII wird Oberhaupt der Kirche von England
Von Anna Gann (Deutschlandfunk Kultur, Beitrag vom 03.11.2009)
Vom englischen König Heinrich VIII. ist vor allem bekannt, dass er sechs Ehefrauen hatte, von denen er zwei köpfen ließ. Er ging jedoch auch als erstes königliches Oberhaupt der anglikanischen Staatskirche in die Geschichte ein: mit der sogenannten Suprematsakte.
„Ab
heute bin ich König und Papst!“
So
prahlte Heinrich VIII. von England, nachdem das Parlament am 3.
November 1534 die sogenannte Suprematsakte beschlossen hatte:
„Der
König, unser oberster Herr, seine Erben und Nachfolger, sollen
als die alleinigen irdischen Häupter der englischen Kirche,
genannt anglikanische Kirche, betrachtet werden und die volle Gewalt
besitzen, alle Irrtümer, Ketzereien, Missbräuche und
Ärgernisse zu unterdrücken und auszurotten.“
Damit
sagte sich England von der römisch-katholischen Kirche los und
schuf die anglikanische Staatskirche. Der ehemalige Lordkanzler
Thomas Morus, einer
der prominentesten Kritiker König Heinrichs, war derweil im
Londoner Tower eingekerkert. Als ihm später der Prozess wegen
Hochverrats gemacht wurde, hielt er seinen Anklägern
entgegen:
„Die
oberste Leitung der Kirche kann kein weltlicher Fürst durch
irgendein Gesetz an sich reißen; denn sie ist ein Recht,
welches von unserm Heiland selbst nur dem heiligen Petrus und den
Bischöfen von Rom, seinen Nachfolgern, verliehen wurde.“
Der
Bruch Englands mit der Papstkirche hatte sich allerdings schon einige
Jahre zuvor angebahnt. Eigentlich war König Heinrich VIII. ein
überzeugter Katholik gewesen. Der Papst hatte ihm 1521 für
eine Schrift gegen den deutschen Reformator Martin Luther sogar einen
Ehrentitel verliehen: „Verteidiger des Glaubens“. So
suchte der Monarch zunächst auch die päpstliche Zustimmung,
als er seine 17-jährige Ehe mit Katharina von Aragón
auflösen und die Hofdame Anne Boleyn heiraten wollte. Doch bei
Papst Clemens VII. biss er auf Granit. Der Dichter Heinrich Heine
urteilte etwa 300 Jahre später:
„Die
Ehestandsgeschichten dieses königlichen Blaubarts sind
entsetzlich. In alle Schrecknisse derselben mischte er obendrein eine
gewisse blödsinnig grauenhafte Galanterie.“
Seit
1529 drängte der König den Einfluss des Papstes in der
englischen Kirche zurück und nahm mehr und mehr kirchliche
Oberhoheit für sich selbst in Anspruch. Unterstützt wurde
er vom antipäpstlich eingestellten Parlament, das das
entsprechende Gesetze verabschiedete. 1531 zwang Heinrich VIII. die
Klerusversammlung, ihn als „höchstes irdisches Haupt der
Kirche von England“ anzuerkennen. Ein Jahr später wurde er
anstelle des Papstes oberster kirchlicher Gesetzgeber. Als er dann
1533 seine Ehe durch den Erzbischof von Canterbury annulieren ließ,
war er auf das päpstliche Wohlwollen nicht mehr
angewiesen.
Doch durch die Kirchentrennung konnte Heinrich
nicht nur sein Eheproblem lösen. Sie war für den König
auch lukrativ. Nach Verabschiedung der Suprematsakte musste die neue
anglikanische Kirche hohe Zahlungen, die sie bisher an Rom geleistet
hatte, nunmehr an die Krone entrichten; die Klöster wurden
zugunsten des Kronschatzes aufgelöst. Staatsbeamte und
Geistliche mussten in einem Eid die Suprematsakte anerkennen.
Verweigerer galten als Hochverräter und wurden, so wie auch
Thomas Morus, mit dem Tod bestraft. Erst 1867 wurde der Suprematseid
abgeschafft.
Die anglikanische Kirche, deren Entstehung
eng mit der Suprematsakte verknüpft ist, hat über die
Jahrhunderte hinweg protestantische Elemente mit ihrer eher
katholisch geprägten Tradition verknüpft. Die heutige
weltweite „Anglikanische Kirchengemeinschaft“ hat cirka
80 Millionen Mitglieder in 164 Ländern. Die britischen Monarchen
haben heute weit weniger Befugnisse in religiösen Dingen als
noch zu Zeiten Heinrichs VIII.. Als Oberhäupter der englischen
Staatskirche werden sie aber immer noch durch das geistliche
Oberhaupt, den Erzbischof von Canterbury, gekrönt. So wie
zuletzt Elizabeth II. am 2. Juni 1953.