Nicht jeder ist ein Schuft

das hat Janusz Korczak ihm gesagt, als er versucht hat ihn davon abzuhalten, dass er die Kinder bis in den Tod begleitet, die gar nicht seine eigenen Kinder waren. Stefania Wilcynska war auch dabei, das sollte immer hinzugefügt werden. Wir wissen nicht, ob auch sie das Recht gehabt hätte zu bleiben. Dieses Recht spielte für sie auch keine Rolle; auch sie war sich sicher, dass sie sterben wird als sie das Haus mit ihm verließ. Beide starben für die Hoffnung, dass das Menschliche irgendwann aus dem Janusgesicht des Bürgers durchbrechen wird für ein Ziel, das nie das Ziel der Anderen war: Ein Humanismus der Tat, des Lebens und nicht des Geistes, den die Anderen gern auf ihrem Haupt tragen.

So sitzen wir heute zusammen als einfache Menschen, die wir noch sein dürfen. Das Gesicht des Bürgerlichen Rechts hat übrigens einen Namen: Es ist das Werk des Imperators Napoleon Bonaparte. Mit Gewehren und Kanonen hat er dieses Gesicht ab dem Jahr 1804 in Europa verbreitet und sein Ebenbild an den Anfang gesetzt. Nur die englische Insel erreichte es nicht. Aber auch dort hat sich inzwischen auf anderem Wege ein Gesicht eingeprägt und diese Vorlagen dienen längst als feste Form der Charaktermasken, da scheint kein Durchbrechen mehr möglich. Auch wir leben heute unter dieser Charaktermaske, die uns in den bürgerlich verfassten Gesellschaften von Geburt an aufgelegt und in all den Lebensjahren ständig angepasst wird. Mit allen Mitteln werden die Masken Jahr für Jahr beschichtet damit sie hart genug werden. Immer früher und öfters geschieht das.

Seine Pädagogik der Achtung darf da nicht gelehrt werden, die verträgt sich nicht mit diesen Masken. Wenn aber nicht die erste Schicht gut geformt ist sitzen die späteren nie wieder ordentlich. Die Eltern müssen sich früh entscheiden. Was sollen sie tun? Die fremdbestimmte Arbeit, auf die irgendwann ihre Kinder angewiesen sind, kann niemals mit der Achtung und Würde des Menschen versöhnt werden.

Klar, sie behaupten das anders und haben zumindest die Würde des Menschen sogar in ihr Grundgesetz geschrieben. Dort steht es gut, das macht dort aber nichts. Deshalb müssen die Kinder von Anfang an besser erzogen werden. Es mag noch Menschen geben, die es mit der Achtung schon bei den Kindern versuchen; sie werden meist als anthroposophische Sekten abgetan und sind selten unter uns. Sie sind ausgegrenzt, besuchen eigene Kindergarten und Schulen. Solange sie sozial nicht wirksam werden duldet man sie. Aber auch sie tragen Charaktermasken. Auffällig an ihnen ist nur, dass sie oft an ihren Masken kratzen, was ein klares Zeichen dafür ist, dass diese nicht ordentlich sitzen, ablegen wollen sie ihre Maske aber nicht. So ganz menschlich und ungeschützt lauern dann doch überall Gefahren, den geht man besser aus dem Weg. Immerhin schützt diese Maske vor der sozialen Kälte, die trotz Klimawandels sich immer mehr ausbreitet; dafür sorgt das Recht. Kein Schuft sein fällt leicht, wenn man auf die Vielen um sich herum zeigt, die auch nicht zu den Schuften gehören wollen. Alle sagen, dass sie gut sein wollen, doch ein solches Wollen allein genügt nicht. Sie lassen keinen Zweifel daran, dass ihr Wollen im Bürgerlichen Recht seine klaren Grenzen hat. Hier werde das Gute definiert und jeder könne erkennen wer Schuft und wer keiner ist. Eine Begegnung mit Janusz Korczak und Stefania Wilcynska halten sie aber nicht aus. In seinen Augen spiegelt sich nicht nur wegen seiner Brille, die er immer trug, um besser sehen zu können, der Schuft im Menschen, der allein im Recht das Maß seines Handelns setzt. Wer die Protokolle der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 studiert kann erkennen, dass die Juristen jeden Schritt der Juden in die Gaskammern mit dem Verwaltungsrecht in Einklang brachten; darin waren die Deutschen meisterhaft. Sie haben das oft geübt; skrupellos. Dort in Namibia zeigten sie unter der Zustimmung der Bürger zuhause zu was wirkliche Schufte zu leisten in der Lage sind; dort erprobten sie die Konzentrationslager und bestanden auf den empirischen Befund, dort erforschten sie die Rassen und schufen auf empirischen Grundlagen, denen sie gerne zum Ergebnis verhalfen, ihre Rassengesetze, die sie nahtlos in ihr Bürgerliches Gesetzbuch einpflegten. Mit ihren Charaktermasken unterhielten sie sich mit den Charaktermasken draußen, die außerhalb ihres Standes ihre Zeitungen lasen. Der Neger sei eben ein Neger, der kann nichts dafür. Hannah Arendt schrieb nicht ohne Grund von der Banalität des Bösen.

zurück