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Neben Thomas Morus und Franz Jägerstetter;

Sie sollten Janusz Korczak heilig sprechen

Ein Humanismus muss persönlich gelebt werden, wenn er für andere Menschen taugen soll. Erst dann macht er den Menschen immun gegen alle Inhumanität in den Gesellschaften. Die Pest könnte besiegt werden.

Der Komponist und Pianist Wladyslaw Szpilman wurde Augenzeuge des Abtransports und beschreibt die Szene in seinen Memoiren: "Eines Tages, um den 5. August [?] wurde ich zufällig Zeuge des Abmarsches von Janusz Korczak und seinen Waisen aus dem Ghetto. Für jenen Morgen war die Evakuierung des jüdischen Waisenhauses, dessen Leiter Janusz Korczak war, befohlen worden; er selbst hatte die Möglichkeit, sich zu retten, und nur mit Mühe brachte er die Deutschen dazu, dass sie ihm erlaubten, die Kinder zu begleiten. Lange Jahre seines Lebens hatte er mit Kindern verbracht und auch jetzt, auf dem letzten Weg, wollte er sie nicht allein lassen. Er wollte es ihnen leichter machen. Sie würden aufs Land fahren, ein Grund zur Freude, erklärte er den Waisenkindern. Endlich könnten sie die abscheulichen, stickigen Mauern gegen Wiesen eintauschen, auf denen Blumen wuchsen, gegen Bäche, in denen man würde baden können, gegen Wälder, wo es so viele Beeren und Pilze gäbe. Er ordnete an, sich festlich zu kleiden und so hübsch herausgeputzt, in fröhlicher Stimmung, traten sie paarweise auf dem Hof an. Die kleine Kolonne führte ein SS-Mann an, der als Deutscher Kinder liebte, selbst solche, die er in Kürze ins Jenseits befördern würde. Besonders gefiel ihm ein zwölfjähriger Junge, ein Geiger, der sein Instrument unter dem Arm trug. Er befahl ihm, an die Spitze des Kinderzuges vorzutreten und zu spielen und so setzen sie sich in Bewegung. Als ich ihnen an der G?sia-Straße begegnete, sangen die Kinder, strahlend, im Chor, der kleine Musikant spielte ihnen auf und Korczak trug zwei der Kleinsten, die ebenfalls lächelten, auf dem Arm und erzählte ihnen etwas Lustiges. Bestimmt hat der "Alte Doktor" noch in der Gaskammer, als das Zyklon schon die kindlichen Kehlen würgte und in den Herzen der Waisen Angst an die Stelle von Freude und Hoffnung trat, mit letzter Anstrengung geflüstert: "Nichts, das ist nichts, Kinder" um wenigstens seinen kleinen Zöglingen den Schrecken des Übergangs vom Leben in den Tod zu ersparen.

Uns hat er eine Botschaft hinterlassen, die allen Kindern verkündet werden muss; es ist eine Frohbotschaft. Die heutige weltweite Gesellschaft kann auf einem Bild dargestellt werden: Ein Fluss teilt das Bild in zwei Hälften. Links und rechts des Flusses leben die Menschen. Die Habenichtse auf der linken, die wohlhabenden Menschen auf der anderen Seite des Flusses. Zwei Brücken führen über den Fluss. Sie sind die einzigen Verbindungen dieser beiden Gemeinschaften. Die Brücke ist breit, asphaltiert, nicht sehr steil und inmitten der Brücke trennt eine gewaltige Mauer mit Stacheldraht, Wachtürmen und Selbstschussanlagen die Menschen in den beiden Gemeinschaften. Nur eine kleine Tür scheint den Zugang auf die jeweils andere Seite zu ermöglichen. Sie ist geschlossen. Menschen auf beiden Seiten stehen dicht gedrängt auf dieser Brücke; sie scheinen auf beiden Seiten aggressiv zu sein, zumindest scheint es so, als schöben sie sich ständig hin und her. Sie halten Abstand von der Mauer.
Weiter nördlich befindet sich -unklar und nur schwer zu erkennen- noch eine kleine hölzerne Brücke. Die Betrachter des Bildes müssen konzentriert schauen, um sie überhaupt erkennen zu können. Sie ist schmal und sehr steil auf beiden Seiten. Ganz oben auf dem Scheitelpunkt der Brücke sitzt ein Mensch. Auf dem Bild kann nicht erkannt werden, was für ein Mensch dort sitzt. Genau genommen kann gar nicht wirklich erkannt werden, ob da ein Mensch sitzt. Die Kinder haben das Bild gemalt. Alle, die jetzt das Bild betrachten, wollen deshalb genauer erkennen wer da sitzt. Sie drängen sich jetzt vor das Bild, wie die Menschen auf den beiden Seiten der Brücke, dessen Straße asphaltiert ist und wollen möglichst direkt vor dem Bild stehen und diesen Menschen ausmachen, der da auf der hölzernen Brücke sitzt. Irgendwann werden sie wieder aufblicken und sich anschauen. Alle haben es sehen können: Kein Mensch, weder auf der linken noch auf der rechten Seite befand sich auf dieser kleinen hölzernen Brücke. Nur der Mensch, der vielleicht gar kein Mensch ist, befand sich auf dem Scheitelpunkt dieser Brücke.