oder das Protokoll zur Sitzung der Anderen mit dem Autor zum Thema "das Beste für die Menschen".
1. Das Beste für die Menschen
Sie wollen alle das Beste für die Menschen, das will ich auch. Das Beste aber unterscheidet uns und wir sollten darüber reden. Ein wichtiger Diskussionsteilnehmer fehlte. Deshalb vertagten wir uns. Wir werden warten. Das Thema ist wichtig, weil es sich auf das Hier und Jetzt bezieht, auf das Politische, das den Menschen heute hingeworfen wird wie der Knochen einem Hund. Daran sollen sie nagen. Vom wirklichen Leben sind sie ausgeschlossen, daran nehmen sie schon lange nicht mehr teil. Man könnte sie wohl unbemerkt einzäunen während sie an den Knochen nagen; sie würden es wohl nicht bemerken. So wie sie auch nicht bemerken, dass sie an den Knochen ihrer Verstorbenen nagen. Dafür muss ein Tisch bereitet werden wie immer wenn gemeinsam über ein wichtiges Thema geredet werden soll. Rund muss er sein weil das inzwischen modern ist und die modernen Maschinen solche Tische heute bauen können; einen, an dem wir uns festhalten können wenn wir zu fallen drohen; unsere Stühle haben keine Lehnen. Das müssen wir natürlich gemeinsam wollen. Nicht das Fallen sondern die lehnenlosen Stühle. Mit Lehne wären sie zu bequem und das sollten wir gemeinsam nicht wollen. Unbequem ist es draußen und die Verbindung dorthin wollen wir behalten, wir wollen doch über das Beste für alle Menschen reden drinnen und draußen, da soll keiner außen vor stehen. Ich bin einverstanden, dass wir die Kälte da draußen hier drinnen nicht haben wollen; das wäre für die Meisten, die gekommen sind, dann doch zu viel des Guten; das meinten sie nämlich und wären sonst nicht gekommen. Ich wäre gerne mit Handschuhen, dickem Pullover und Mütze hier gesessen aber das hätte nicht gepasst: Sie sind alle nur in leichten Hemden oder Blusen gekommen und trugen farbenfrohe Hüte. Zwei sind im Anzug gekommen obwohl darum gebeten wurde, davon abzusehen; kein Zwang solle ausgeübt werden. Einige hatten keine Kravatte umgebunden, andere aber schon, man weiß ja nie. Sie wollten sie nicht ablegen, sie wollten erkennbar bleiben. Ich meine nicht die Krawatten, es geht um die Hüte. Auch sie, eine junge Frau war gekommen. Sie trug eine rote modische Baskenmütze. Ich wunderte mich und fragte zur Bedeutung der Farben. Sie erklärte mir, dass es die Farben der permanenten Revolution wären und die Farben aus der Trikolore hervorgegangen sind. OK, das hat jetzt nur sie gesagt aber die Anderen sagten dazu nichts, stimmten weder zu noch lehnten sie diesen Hinweis ab. Es blieb freundlich. Ich dachte nach. Den Anfang meiner Gedanken passierte das Leben Wilhelms von Oranien-Nassau und ich verstand, dass diese Hüte im Protestantischen ihre Wurzel haben. Da gehören sie auch hin, das war mir jetzt klar. Sie fragten mich weshalb ich keinen Hut aufhabe. Ich erklärte ihnen, dass ich sehr wohl einen Hut aufhabe, den könnten sie vermutlich aber nicht sehen; er habe keine Farbe. "Wir wollen über das Beste reden und nicht über die Farbe unserer Hüte." Der, der sich jetzt erhob befürchtete was wir in diesem Moment wohl im Stillen alle befürchteten, wir werden nicht über das Beste miteinander reden weil da einer nach der Farbe der Hüte nachgefragt hat; wie wenn das Wesentlich wäre. Es sei wichtig betonte ein Anderer, es sei sogar sehr wichtig. Der da, der einen Hut aufhabe, der keine Farbe hat -er wandte sich mir zu - käme ihm verdächtig vor; man könne den Hut ja nicht sehen, das irritiere ihn. Er wolle den Hut sehen. "Wenn du dich konzentrierst wirst du den Hut erkennen auch wenn er gar keine Farbe hat." Ich konnte nicht feststellen ob ihm diese Antwort genug war; jedenfalls setzte er sich jetzt. Das gemeinsame Reden über das Beste für die Menschen konnte beginnen. Sie erhob sich, sie blieb nicht sitzen, sie war die Erste. Wir hatten keine Rednerliste vereinbart deshalb wunderte sich keiner. "Unser Thema ist das Beste für die Menschen", so begann sie. "Das Beste für das Volk, mehr noch, für alle Völker der Erde." Dafür habe Karl Marx das kommunistische Manifest geschrieben und dieses sei unsterblich. "Unter unserer Fahne haben sich die Völker der Erde gesammelt, die das Joch, das ihnen die Unterdrücker angelegt haben, abwerfen wollten. Unser Ziel ist einmalig und Bert Brecht hat dafür dieses Lied geschreiben, das ich euch allen besser vorsingen werde damit ich verstanden werde; damit allen klar wird, dass es einfach ist, mich zu verstehen. Er ist vernünftig, jeder versteht ihn, er ist leicht! Du bist doch kein Ausbeuter, du kannst ihn begreifen! Er ist gut für dich, erkundige dich nach ihm! Die Dummköpfen nennen ihn dumm und die Schmutzigen nennen ihn schmutzig. Er ist gegen den Schmutz und gegen die Dummheit! Die Ausbeuter nennen ihn ein Verbrechen. Aber wir wissen, er ist das Ende der Verbrechen! Er ist keine Tollheit, sondern das Ende der Tollheit! Er ist nicht das Chaos, sondern die Ordnung! Er ist das Einfache, das schwer zu machen ist." Sie sang schön, ihre Stimme war ausgebildet. Sie atmete jetzt ruhig. Keiner applaudierte, alle waren überrascht worden. Nach einiger Zeit absoluter Ruhe wandet sie sich an mich: "Natürlich weiß ich, dass du diese Zeilen, die ich gesundgen habe kennst; ich habe bei dir gelesen. Aber ich denke sie können nicht oft genug gelesen werden und Einige, die hier Platz genommen haben werden diese Zeilen noch nie gelesen oder gehört haben. Weil sie diese nicht hören wollen. Ich danke dir für diese Gelegenheit. Dahin sollte der Weg führen und dafür hat Karl Marx erkannt, dass dafür zunächst die proletarische Revolution notwendig ist, in der zunächst die Staatsmacht erobert werden muss. In dem dann folgenden sozialistischen Staat, der den bürgerlichen Staat ablösen wird werden die Gesetze erlassen, die den Kommunismus erst ermöglichen werden. Das bedeutet Arbeit, darüber irren wir nicht. Am Ende aber wartet eine Gesellschaft der Freien und Gleichen; der marxsche kategorische Imperativ wird eingelöst werden, indem, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist, also mit dem kategorischen Imperativ alle Verhältnisse umgeworfen sind, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen war. Dieses Reich der Freiheit ist das Beste was erreicht werden kann. Du aber kritisierst Marx, Rousseau nennst du einen Romantiker. Ich erkenne in dir selbst einen Romantiker. Du glaubst doch nicht im ernst, dass die Kapitalisten ihre Macht an Romantiker wie dich abgeben werden? Da kannst du die Gesetze noch so ändern, das wird nicht klappen. Seit Chile wissen wir, dass der Stimmzettel nicht taugt die Macht des Kapitals zu brechen. Die verfügen heute über einen Staat, der bis zu den Zähnen bewaffnet ist und der vor nichts zurückschreckt. Das schreibst du doch selber in deinem Kapital über die Barbarei. Karl Marx hat erkannt, dass nur das Proletariat die Macht im Staate erobern muss um eine sozialistischen Gesellschaft aufzubauen. Gib deinem Hut, dessen Farbe wir nicht erkennen können, die Farbe rot. Wir haben unsere Fahne in das Blut unserer Toten getaucht, die für den Kommunismus gestorben sind; deshalb ist sie rot, die Farbe des Blutes , das für das Beste geflossen ist und es soll nicht umsonst geflossen sein." "Hören Sie auf Sie Lügnerin" unterbrach sie jetzt ein Anderer, der schon lange mit grimmigem Blick ihrer Rede zugehört hatte, "Schauen Sie doch mit offenen Augen: das Blut, das da vergossen wurde habt ihr vergossen; millionenfach. Es ist das Blut der Toten, die eure Gulags nicht überlebt haben, die dort hinterrücks erschossen wurden weil euch die Meinungen nicht passten; hören Sie auf zu Schwafeln, ich kann das einfach nicht mehr hören. Ich will keinen Streit. Das Lied, das Sie da gesungen haben, ist schön, da will ich gar nicht drumrum reden. Es hat mich ergriffen. Aber es ist falsch wie ihr falsch seid. Er ist nicht das Einfache, und ihr hättet es doch machen können als ihr über Jahrzehnte die Staatsmacht innehattet uns sogar mit eisernem Besen gewütet habt. Es ist nicht wahr, dass es schwer zu machen ist; es ist überhaupt nicht zu machen weil die Menschen frei sein wollen. Diesen Wunsch könnt ihr nicht beherrschen; ihr habt die Menschen in Ketten gelegt und die Welt konnte auf euch zeigen und sie sah: da, schaut hin, da liegen sie in Ketten und erfüllen ihre Jahrespläne, die andere geschrieben haben, die keineswegs zum Wohle der Arbeiter und Werktätigen geschrieben waren und alles was diese qualitätsvoll produziert haben wurde für andere produziert; sie selber litten Not und mussten sich von euren Parolen ernähren, die keinen satt machten. Die Ketten der Menschen hat Rousseau gesprengt und ihr habt dem Volk in eurem Staat die Ketten wieder angelegt. Merken Sie sich gefälligst: Das Bürgertum hat den Menschen zur Freiheit verholfen. Und diese Freiheit ist das Beste was den Menschen gegeben werden kann.". Es herrschte kurz ein betretenes Schweigen. Scheinbar wollte keiner jetzt etwas sagen. "Ihr seht, so kommen wir nicht weiter" durchbrach endlich einer das Schweigen, der schon die ganze Zeit etwas sagen wollte und nervös schien, jedenfalls meinte ich das bemerkt zu haben. Es brach förmlich aus ihm heraus. "Diese alten Kamellen. Lasst sie doch endlich ruhn; die Zeiten haben sich geändert, wir sollten beim Thema bleiben, verzettelt euch doch nicht. Der Kommunismus ist tot. Überall wurden sozialistische Regierungen abgewählt, die will doch keiner. Nie blieben sie lange an der Macht, die wollten nicht das Beste. Die kümmerten sich um ihr Klientel so wie die Neoliberalen sich um ihr Klientel kümmern. So kommen wir nicht weiter. Überhaupt die Zeit der Gutmenschen ist vorbei. Auch die Zeit der Sozialdemokraten ist abgelaufen. Die werden wie die Freien Demokraten die neue Zeit noch spüren und ebenfalls Probleme kriegen die 5%-Hürde zu überspringen. Die AfD ist im Aufwind, die wissen was zur Zeit das Beste ist, die sagen wenigstens was falsch läuft und vertreten noch die kleinen Leute, die von den Anderen schon immer nicht gesehen werden. Alle haben sich gegen diese Partei verschworen und doch verdrängen sie die stärksten Parteien, die bisher regiert haben und bieten mehr. Die Menschen fühlen sich wieder verstanden." "Du redest doch Quatsch" unterbrach ihn schroff eine ältere Frau, die ich bisher kaum wahrgenommen hatte. Sie hatte den buntesten Hut auf, den sie vermutlich handbemalt mit leuchtenden Farben selbst eingefärbt hatte. "Das sind doch Nazis, mit denen will ich nichts zu tun haben. Ihren verbalen Entgleisungen sind nicht zufällig, sie sind auch nicht nur ein Erkennungszeichen dieser rassistischen Partei. Ich werde sofort den Tisch verlassen wenn solch ein Nazi unter uns ist. Begreift doch, dass diese Lumpen oft mit Kreide im Mund reden und ich ahne, dass es nicht mehr lange dauert bis die politische Mitte anbeißt; notgedrungen, weil sie weiter die Regierung stellen wollen. Ich sage euch, das ist das Schlechteste was die Menschen dann bekommen. Wir müssen den antifaschistischen Kampf täglich führen; selbst das Beste für die Menschen, über das wir hier sprechen wollen, muss hinter diesem Kampf zurückstehen. Die tun wie die anderen Parteien überhaupt nichts für die kleinen Leute. Schaut doch hin. Jeden Tag müssen sich Millionen von Menschen mit den Exekutivorganen, mit den Arbeitsämtern, den Ausländerbehörden und den Bezirksämtern herumärgern. Die tun doch selten was und die Mitarbeiter der staatlichen Verwaltungen müssen heute vorsichtig sein, wenn diese den kleinen Leuten helfen. Was tun denn die Parteien? Nichts ! Ich kann das belegen. " (wird fortgesetzt) P.S. Am Tisch sind noch Stühle frei, sie sind nicht besetzt und wir sind Wenige. Als Gastgeber dieses runden Tisches würde ich mich freuen wenn ihr euch an den Tisch setzt. Das geht mit oder ohne Hut. Wegen mir würden euch die bereits Anwesenden vielleicht fragen ob ihr einen Hut aufhabt; vielleicht aber auch nicht; ich weiß es wirklich nicht. Selber bin ich jetzt einfach mal fort.
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