Das Private wird öffentlich.
Vom Baum der Erkenntnis
Er stand in Steinhorst und wurde gefällt. Es waren Freiwillige, die sich stets am Montag in dem kleinen niedersächsischen Dorf zusammenfanden und sich untereinander, wie in einer Seilschaft eben, gut verstanden und notwendige Gemeindearbeiten kostenlos erledigten. Sie waren miteinander nicht festverbunden, fals es korrekt ist, dass eine Seilschaft als eine Verbindung betrachtet werden darf, die auf freiwilliger Basis unter Menschen gebildet wird, die einander vertrauen. Ob der Altbürgermeister Hasselmann an jenem Montag die Seilschaft anführte oder Dieter, der in dieser Truppe nicht mitarbeitet, den aber diese Männer gut kannten, da dieser in diversen Seilschaften letzten Endes das Sagen hat, kann rückblickend nicht mehr festgestellt werden. Es wird der Gemeindearbeiter gewesen sein, der diese Seilschaft ausnahmsweise an jenem Montag anführte, denn an diesem Baum, dem Baum der Erkenntnis, wurde einer der Mitläufer herausgeschleudert, obwohl die Freiwilligen im entscheidenden Moment gar nicht unterwegs waren. Es begann wie so oft in kleinen Seilschaften mit einer Lüge. Eine Lüge kann nicht klein und nicht groß sein; sie ist immer nur schlicht eine Lüge und oft genug völlig banal. Die Folgen einer banalen Lüge allerdings können klein oder groß sein. Im Jahr 1999 war sie, nachdem sie sogar in der Bildzeitung verkündet wurde, groß. Drei Jahre später noch größer und fast immer sterben Menschen, wenn die Lügen politische Folgen haben: 1999 in Jugoslawien und 2002 im Irak. Hat die Lüge keine politischen Folgen sterben die Menschen in der Regel auch nicht. Bei diesen Lügen stirbt mitunter nur das Vertrauen der Menschen untereinander und das kann in einem kleinen Dorf durchaus schlimm sein. Oft verletzt müssen die Angelogenen künftig einen Weg neuen Weg finden. In der aktuell spätmodernen seelenlosen Gesellschaft ist es nicht leicht täglich sich neu orientieren zu müssen, um sich gesundheitlich wenigstens einigermaßen den Kopf über Wasser halten zu können und der Einzelne inmitten eines Dorfes nicht untergeht. Er läuft immer Gefahr in diesen zunehmend sich an den Städten orientierten Menschen an all den Lügen, die um ihn herum längst als politisch normal toleriert werden, zu verzweifeln. Dann aber ist logisch, dass für dieser Menschen, der da geistig ertrunken ist, es
völlig gleichgültig war, ob die Lüge folgenschwer oder folgenlos blieb: Er blebt seelisch verletzt zurück. Nicht der Lügner wurde seelisch verletzt. Das zeichnet eine seelenlose Gesellschaft und diese dörflichen Seilschaften ja gerade aus und deshalb soll über sie detailliert und wissenschaftlich korrekt geschrieben werden: Damit sie aufhört, endlich einmal aufhört, die modern und längst wieder in Mode gekommene Lügerei. Weltweit ist sie in Mode gekommen. Das bloße Meinen hat Hochkonjunktur und die sozialen Plattformen bieten Beispiele genug. Diese wissenschaftlich Untersuchungeen und Berichte bezüglich der Gefahr des Konsums sozialer Medien sind heute in Hülle und Fülle vorhanden, werden vereinzelt auch gelesen, bewirken aber selten etwas. Die Lüge ist gesellschaftsfähig und ist im Übrigen selbst von den Gerichten tolleriert, falls sie unmittelbar keine direkten Einfluss auf ein Richterurteil haben, sie sind sozusagen gesetzeskonform. Auch das Zeitalter der bürgerlich verfassten Gesellschaften mit ihrem Bürgerliche Gesetzbuch, das mit dem Code Napoleon im Jahr 1804 die politische Welt noch einmal entscheidend veränderte, ist sogar auf einer fundamentalen Lüge aufgebaut, der sich heute die Politiker der politischen Gesellschaften gerne bedienen: Auf der Lüge, dass der Grund und Boden der Erde das Eigentum von Menschen sein könne. Das hält ansich kein denkender und vernunftsbegabter Kopf aus und deshalb bestimmt das ein Gesetz. Dieses Gesetz feiern ein paar der Politiker, die sich an Hegel und nicht an ein Geistwesen Gott halten, bis heute weltweit. Als diese Lüge begann haben sie den Urheber auch gefeiert und ihn sogar zu einem Kaiser gekrönt, obwohl er ein ganz normaler und skrupelloser ehemaliger Jakobiner war. Er begann jedenfalls als Jakobiner und wollte mit anderen Jakobiner als General und Feldherr die Welt verändern und er veränderte sie auch bis heute nachhaltend. Seine Gönner Robespierre und Saint-Just und viele andere verloren ihre Köpfe, weil auch sie die Welt verändern wollten. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Dafür kämpften sie und verloren deshalb den Kopf. Er aber behielt ihn ohne Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Er behielt nicht nur seinen normalen Kopf, sondern sie setzten ihm eine Krone obendrauf, wie das zuletzt dieser Justizminister unter Mussolini bezüglich der Umtriebe vor 1945 in Europa sich gewünscht hat. Das muss jetzt aber anders geschrieben werden, wenn die Regeln der Wissenschaft nicht verletzt werden sollen: Er setzte sich die Krona selber auf. Warum er sich die selber aufsetzte, kann nur politologisch ausgeführt werden und daran darf sich wahre Wissenschaft nicht beteiligen. Die Wissenschaft von der Politik darf nur feststellen, dass er sich die Krone aufsetzte, weil signifikant genügend Menschen anwesend waren, die das auch bezeugt haben. Die Frage drängt sich natürlich auf, ob mit der Behauptung, dass nur Politiker behaupten, dass der Grund und Boden der Erde das Eigentum von Menschen sei und die Menschen dem nicht unbedingt folgen konnten, sie also besser den Politikern folgen, wenn sie selber so ein Stück Erde besitzen wollen. Nur ein Lügner glaubt daran, dass dem Boden ein Herrschaftsrecht entspränge. Das muss der Mensch dort erst hineindichten damit es dem Boden wieder entspringen kann. Der Lügner hätte auch in den Boden das Recht hineindichten können, dass ein Eigentum an diesem Boden ihm, einem Staatssekretär etwa, das Recht verschaffe, die erste Nacht mit der Tochter des künftigen Eigentümers an einem Stück Land die Nacht nach Übergabe des Grundstücks zu verbringen. Jetzt sollte sich der Wissenschaftler konzentrieren und das Gesicht des frisch gebackenen Grundbesitzers beschreiben. Mit diesem derart dicken Stamm rechnete der Hamburger nicht und die kleine Motorsäge war völlig untauglich. Das hatte ihm keiner gesagt. Er war verzweifelt. Er hatte zugesagt, dass heute noch dieser restliche Baum zerschnitten und vom Straßenrand entfernt wird. Nach zwei Stunden wurde er nervös: Herr erbarme dich. Er erbarmte sich. Im Traktor erreichte der Gemeindearbeiter den alten Mann mit der Spielzeug-Kettensäge. Er solle sich schämen mit einer solch kleinen Säge einem ordentlichen Baum zersägen zu wollen und üerhaupt, wollte doch Dieter den Baum wegholen. Dieter? Wer ist Dieter?. Das ist jetzt nicht wahr. Alle kennen Dieter in Steinhorst.
Davon wusste der alte Mann nichts und der Gemeindearbeiter fuhr schnurstracks auf den Gemeindehof und holte eine ordentliche Kettensäge. Was dem alten Mann in einer Stunde nicht gelang, war jetzt in 5 Minuten erledigt. Der Baum war zersägt und er solle jetzt gehen. Den Rest erledigte der alte Mann alleine, er war ja kein Bremer, er war wie bereits erwähnt ein Hamburger. Am nächsten Tag kam Dieter. Er käme wegen dem Baum, seinem Baum. Wie bitte? Sie waren sich schnell einig. Der alte Mann könne ja nichts dafür, dass andere ihm den Baum wegnehmen wollten, aber er habe ihn bereits bezahlt. Er hätte ihn gekauft und bezahlt im Gemeindebüro der Gemeinde in Steinhorst. Weshalb er dies gleich zwei Mal wiederholte, blieb unklar. Jetzt wolle er die Sache aufklären und zum Dieb gehen; er werde das klären. Er solle aber unbedingt zurück an den Zaun kommen, die Frau und der alte Mann wären ungeduldig und könnten nicht schlafen, wenn Unrecht passiert: Dass er, der allseits bekannte Politiker Dieter betrogen worden sei. Wir kennen doch Dieter.
Wir kannten ihn nicht. Jedenfalls brach er sein Versprechen und kam nicht mehr. Dafür kam Alfred. Er war älter als der Hamburger und war auch kein Bremer. Er hatte mit anderen Freiwilligen den Baum gefällt. Dieser Baum musste gefällt werden, weil sein innerer Kern bereit angefault war. Jedenfalls sagte das der Mann von der Gemeinde. Er fragte auch den Dieter, ob dieser den Baum haben wolle. Sein Sohn betreibe doch einen Holzheizung und das Grundstück dort wäre voll mit Holz; der Baum würde bestimmt noch einen Platz finden. Verfaultes Holz? Als Mitglied des Gemeinderats und ehemaliger Beamter habe er andere Quellen. Nein Danke. Alfred nahm sich dieses angeblich verfaulten Baumes an und war erstaunt darüber, wie sich die Gemeinde irren kann: Der Baum war gesund. Jetzt aber lag er gefällt dort am Straßenrand und musste weg, schleunigst weg. Diese Wiederholung interessierte an diesem verhängnisvollen Abend unseren Dieter nicht. Weshalb er den Bbaum, den er bereits bezahlt habe, an Fremde verscherbelt habe? Verscherberlt? Ungeheuerlich und was soll die Lügerei? Das Gemeindebüro sei wegen Corona schon lange zu und keiner könne einen Baum bezahlen. Das wisse er und deshalb wollte er ihn ja auch erst später bezahlen. Das war nun nicht mehr logisch, das war ein Eingeständnis der Lüge, der er sich bis jetzt bediente.
Er werde aber darauf bestehen, dass der Baum bezahlt werde. Er hätte den Baum nicht verscherbeln dürfen. Es gäbe eine Liste, auf der alle Holzbedürftigen sich eintragen müssten und dort hätte er, der Alfred, nicht gestanden. Er hätte sich dort eingetragen. Liste? In der Gemeinde? Davon wisse er, der Alfred, nichts, das könne eigentlich nicht sein, sonst hätte er es wissen müssen. Das mag sein, aber ab jetzt gibt es eben eine Liste. Er, der Politiker und Freund der Gemeinde Dieter werde diese Liste einführen. Sofort, nachdem das Gemeindebüro wieder geöffnet sei. Bei ihm herrsche Ordnung und alles gehe gerecht zu.
Dem Hamburger wurde alles berichtet und er nannte den Dieter einen Lump. Er könne ihn auch einen Lügner nennen, Dieter könne sich den Begriff aussuchen. Der Hamburger aber war auch ein Katholik, was in dieser protestantischen Gemeinde außergewöhnlich war. Dieter solle Reue zeigen, beichten könne er nicht, dafür fehlte eine katholische Kirche und der richtige Glaube. Aber er würde ihm die Beichte abnehmen und Absolution erteilen, wenn er sich bei Alfred entschuldigt. Alfred litt unter dem Geschehenen; er schlief deshalb seit Tagen schlecht. Er hatte Angst vor Dieter. Viele fürchten im Dorf den Dieter; das ist ein Politiker. Dieter fürchtet sich nicht.
Dieter entschuldigte sich nicht und teilte lapidar mit, er werde alles gemeindeintern lösen. Der Hamburger alte Mann schrieb ihm postwendend, dass er in diesem Fall die Sache gemeindeextern lösen werde.
Dieter erledigte inzwischen sein Vorhaben und der Hamburger bekam einen Brief vom Bürgermeister. Nicht vom richtigen Samtgemeindebügermeister, sondern vom örtlichen ehrenamtlichen Bürgermeister; einem jungen dynamisch wirkenden CDU-Politiker, der auch politisch noch etwas vorhat und selber einmal Samtgemeindebürgermeister werden will. Das Recht hat er und die Unterstützung der vielen CDU-Wähler im Dorf vielleicht auch. Nur kennt er nicht das bürgerliche Recht. Er muss die Zeit verschlafen haben und kommt zu spät. Er stellte sich kraft seines Amtes über das Recht. Er präsentierte dem Hamburger eine Rechnung datiert mit dem 04. November, zahlbar bis zum 14. November. An diesem Tag lag diese Rechnung über 60 € in dem Briefkasten des Hamburgers und es war Samstag. Wie solle er jetzt dieser postmodernen neuen Obrigkeit gehorchen? Bliebe die Frage, ob die Geschichte der Französischen Revolution allein um nur über eine gewöhnliche Lüge, die in einem kleinen niedersächsischen Dorf einen Streit in einer Familie seitdem die Familienmitglieder nachhaltig belastet, wirklich angemessen ist, nur um über das banale alltägliche Böse aufzuklären? Ja, es ist angemessen, sonst enden die Geschichten um diesen SS-Schergen Felix Linnemann auch nicht. Der lebt noch in den Hirnen vieler Steinhorster und die haben sich an die Lüge bis heute gewöhnt, er wäre ein ganz normaler DFB-Präsident gewesen; ein Mörder war er wie das banale Böse, das in Israel hingerichtet wurde. Bis vor Kurzem war sein name auf einem großen gedenkstein am Felix Linnemann Platz zu lesen. Die schämten sich dort wegen ihres Schützenbruders nicht und wer dort in Steinhorst beim Schützenfest nicht auf der Straße mittläuft und starmmsteht, ist kein Steinhorster. Das sagte jetzt nicht dieser Linnemann, das sagte der ehemalige Bürgermeister von Steinhorst. So scheint es, dass das Jahr 1945 in Steinhorst nicht stattgefunden hat.
Wissenschaftlich wird das Positivismus genannt, der erst mit der Verfassung einer bürgerlichen Gesellschaft historisch sich neben den längst etablierten Naturwissenschaften behaupten konnte. Aber es sind eben nur die Dummen, die an solche Methoden überhaupt glauben können. Es waren allesamt Grundbesitzer und Günstlinge der Krone, die sich Gedanken machten, wie man den Politikern auch auf dem Kontinent hier zu Hilfe eilen könnte, damit ihr Diebstahl der Mutter Erde nicht gar so offenkundig beobachtet werden kann. Sie erzählten von der menschlichen Arbeit, die der Einzelne in den Boden der Neuen Welt investiere und deshalb am Ende er den Boden verändert, also jetzt sein Eigentum nennen könne. Ein Vertrag müsse jetzt diese Sache besiegeln. Das ist so, dass sagte die Staatsphilosophen damals wirklich. Rousseau sah das etwas anders. Er war nicht im Stand des Adels, er war im Stand eines Bürgers und ein Lügner, wie das an anderer Stelle bereits berichtet wurde. Er empfahl einen Führer, dem aller Lehen überlassen werden solle und er, der Führer, den Einzelnen das vormals Lehen als persönlichen Grundbesitz dann zurückgeben, wnn nur ordentlich dafür bezahlt wird. Sie machten tatsächlich später aus dieser simplen Überlegung ein Gesetz daraus. Ob Rousseau ein Taschenspieler war, ist nicht überliefert. Wissenschaftlich kann nur festgestellt werden, dass sein Trick funktionierte.
Auf diesem Grund und Boden, der das Eigentum der Samtgemeinde Hankensbüttel bildet, stand dieser Baum und Keiner konnte bis zum Zeitpunkt, als der Baum gefällt wurde, von diesem Baum der Erkenntnis einen Apfel pflügen und damit zumindest an den Baum der Erkenntnis, von dem die ersten Menschen den Apfel gepflügt haben und den Apfel anschließend trotz eines Verbots, den Apfel zu essen, dem Gebot nicht gehorchten und sündig wurden. In diesem Fall begann alles nicht mit einer Lüge, sondern mit Ungehorsam gegenüber einem Oberen, der seine Befehlsgewalt durchsetzen wollte und der an der Staatsphilosophie der Menschen scheiterte. Das wäre auch unmöglich gegangen. Es handelte sich in diesem Fall um eine Eiche.
Sie riefen an und sagten, der Baum müsse weg. Er läge am Straßenrand, sei ungesichert und Eile wäre geboten. Gerne helfe er, ein Hamburger, wenn einer aus der Gemeinde Steinhorst ruft. Einer, der immer dabei ist und zusammen mit dem Altbürgermeister und dem Gemeindearbeiter einmal in der Woche unentgeltlich gemeinnützig arbeitet.
An einem Montag wurde die Eiche gefällt und schon am Mittwoch waren die leicht transportablen Hölzer verschwunden. Nur noch der schwere Stamm lag da. Komm, sonst ist alles geklaut.