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Montag, 13 Januar, 2020
Calvin ungeschoren?
E.M. schrieb: Über Fassadenkratzer fand ich einen Link zu Ihnen und komme nun mit einer Frage: Wenn Sie so auf Luther (und Jefferson) schimpfen, warum lassen Sie dann Calvin ungeschoren? Dessen Prädestinationslehre entschuldigt doch alles, jede Umweltsauerei, wenn sie durch materiellen Erfolg gekrönt ist und somit beweist, daß auf dem Ausübenden Gottes Segen liegt. Es scheint dem Charakter vieler Niederländer und Schweizer sehr entgegenzukommen, denn dort blüht der krasse Materialismus.
Antwort: Ich hoffe, ich schimpfe nicht über Luther und Jefferson. Damit kritisieren Sie mich doch heftig. Vielleicht meinen Sie das aber anders. Richtig weisen sie auf Calvin hin, der dem Kerygma des Martin Luthers noch eine besondere Form "mit Zeigefinger" hinzugefügt hat. Mit Luther und Jefferson habe ich mich in wissenschaftlicher Manier befasst, ihre Texte und Biografien studiert; deshalb ärger ich mich, dass Sie einen Schimpf über diese Theologen meinen Texten entnehmen. Das wollte ich nicht. Über Personen wie Stalin oder Hitler würde ich auch nicht schimpfen, dafür waren die Persönlichkeiten zu sehr Unmensch und Begriffe, die solche Menschen ordentlich und intersubjektiv erklären gibt es in den verschiedenen Kulturen nicht. Die Kulturen sind und waren überall geprägt von Herrschern; eine herrschaftsfreie Zeit läge also erst vor uns, wenn sie überhaupt einmal Weltgeschichte schreibt; und deshalb konnten sich gemeinsame Begriffe nicht bilden.
Auf eine Nachfrage zu Luther antwortete E.M: Luther hat feststellen müssen, daß die Bauern, wenn man sie gewähren ließ, zu mordendenden Gesindel wurden, ähnlich wie die Antifa in Connewitz. Nachdem er ihr Anliegen zunächst unterstützte, revidierte er seine Position wieder, daher endete das erste soziale Experiment auf deutschem Boden leider blutig. Aber ich denke, da ich von der naturwissenschaftlichen Seite komme und Sie von der geisteswissenschaftlichen, haben wir eine völlig verschiedene Basis für unsere Erkenntnisse. Aus meinen Jahren in Afrika, welche mir tiefe Einblicke in die Natur des Menschen bescherten, brachte ich als Quintessenz Folgendes mit:
Antwort: Wir schauen völlig unterschiedlich auf die Zeit Luthers. Zur Geisteswissenschaft bin ich übrigens nie vorgedrungen, dort wollte ich nie hin; ich blieb bei den Menschen. Mein Studium war zunächst rein naturwissenschaftlich. Die Seminare zur "Geschichte der exakten Naturwissenschaften" haben mich in den Jahren 1973 bis 1975 auch in die Zeit Luthers geführt. Neben naturwissenschaftlichen Grundlagen lernte ich viel Persönliches der Menschen, die zu Beginn der Moderne wirkten, nachhaltig wirkten.Vieles lernte ich so erst verstehen und Ernst Bloch hat mir später erklärt, was es mit der Geschichte um Thomas Müntzer auf sich hat. Der Schlüsselbegriff, der über diese Zeit hervorragend über Luther aufklärt ist der der Allmende. Würden wir und in dieser Sache einig werden, wären wir weit aufeinander zugegangen. Ich danke Ihnen sehr für Ihre wertvollen Antworten.