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Sonntag, 01 März, 2020
Was du ererbt von deinen Vätern hast,
erwerb es, um es zu besitzen.
Von den Vätern? Was ist mit den Müttern? Ein Erbe, wenn es wahrhaft menschlich ist, besorgten dann doch mehr die Mütter. Dort, wo meine Wiege stand, standen die Väter oft nicht; die Mutter stand da. Oft saß sie, weil die Hausarbeit dann doch ihre Knie erweichten. Goethe war männlich und gebildet was selten vorkommt. Vielleicht konnte er es deshalb nicht anders ausdrücken.
Das Haus, das die Eltern gebaut haben, wird bleiben. Wir werden es erhalten. Darüber muss nicht geredet werden. Auf herrenlosem Boden steht das eigene Haus besonders wahrhaft: Es ist mein Haus. Ich habe es gebaut. Ich begegne nicht nur meinem Haus, ich begegne meiner Arbeit, die in diesem Haus verdichtet ist und die meine Erben immer an mich erinnern wird. Sie werden darübner reden, weshalb ich das so und nicht anders gebaut habe. Vieles werden sie verändern und begegnen mir noch viele Jahre lang organisch; man könnte fast sagen, wir arbeiteten noch eine zeitlang zusammen, obwohl ich schon längst gegangen bin. Sie werden sich über mich freuen und über mich fluchen; da spürt man noch Leben. Keiner wird das Haus anrühren, solange wir das nicht wollen.
Aber das stimmt nicht. Goethe hätte es wissen können, aber sein Herz schlug bürgerlich; er war Protetant. Er hätte wiissen können, dass künftig das Gut vom Staat und die Verwaltung der Güter das Gesetz bestimmt. Längst sind die Gasthäuser, die es am Anfang dieser Bundesrepublik Deutschland noch in großer Anzahl gab, die sich erlauben konnten, ihre Häuser, die oft gegenüber den Kircheneingängen betrieben wurden und nur an Sonntagen die Gläubigen zu sich riefen, weil bei ihnen das Gesangbuch richtige Henkel hätten, konnten sich das erlauben: Keine Grundlast, keine Pacht und kein Grundzins außer dem Grundzins des Staates, belastete ihr Haus. Das änderte sich rasch nachdem die Alten gestorben waren. Das Erbe musste verteilt werden. Klar, die Nachkommen hätten das unter sich regeln können, aber mit der Einführung des Pflichtteils hat der Staat sie gelockt in das Haus des Mammons. Dort sahen sie nur sich und ihn; die Geschwister und Brüder sahen sie nicht mehr. Ohne persönlichen Kompass standen sie vor ihm und beugten ihr Haupt.
Das Produkt menschlicher Arbeit sollte immer samt dem Boden, auf dem es notwendigerweise errichtet wurde unter einem besonderen Schutz stehen und möglichst erhalten werden. Das ist heute wichtiger denn je seit sich das Klima ändert. Die vielen Produkte, die unsere Väter und Mütter geschaffen haben und dafür die Erde verbrannten, die Rohstoffe dafür aus dieser Erde gehoben haben, Kriege sogar für die Güter geführt haben und die jetzt nicht mehr sind, dürfen jetzt erst recht nicht einfach weggeworfen werden. Das versteht jedes Kind. Das hätten auch Kinder uns erklären können. Aber wer hört schon auf die Kinder. Oder wenn das Erbe zerteilt werden muss, weil einer der Erben die Hand hebt und auf sich zeigt, wer schaut jetzt auf die Kinder? Die Kinder müssen ihn jetzt auszahlen und das Erbe mit Schulden belasten. "Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern." Mit dem Erbrecht wurde die Gefahr, unter ein Schuldverhältnis zu fallen, Gesetz. Wer sollte den das Geld für die Auszahlung des Erbteils besorgen? Der Anteil des Preises des Bodens, auf dem das Haus steht, ist längst eine Sache von Spekulanten geworden. Mit Bodenrichtpreisen und Marktanalysen werden sie der Erbengemienschaft sagen, wohin die Reise geht. Göethe hätte es wissen können. Goethe wollte es nicht wissen, in dieser Sache war er Protestant.
Anders wäre das, wenn auf herrenlosem Land das Haus stehen würde. Eigentum des Erbauers auf herrenlosem Boden. Es bliebe sein Eigentum und ihm gebührt Respekt. Es wäre vermutlich weit abgeschrieben und die Idee, es gemeinsam für alle zu erhalten, lässt sie, die Verstorbenen in Frieden ruhen. In wirklichem Frieden und unter den Ihrigen.
Der Mietzins bleibt. Was das ist kann an anderer Stelle genau nachgelesen werden und hier sei nur kurz erwähnt, dass sich dieser aus der sogenannten Abschreibung errechnet. Zusätzlich eines Verdienstes, den sich der Erbauer des Hauses auch wahrlich verdient hat: Er kümmerte sich um das Haus, er finanzierte es. Für ihn ist es ein Wirtschaftsgut ähnlich vielen anderen Wirtschaftsgütern nur eben nützlicher, weil menschlicher. Der Mensch braucht ein Haus; es ist ein Menschenrecht.
Neu ist, dass in diesem Haus das Herrschaftsrecht verschwunden ist. Natürlich bleibt eine Hausordnung. Diese aber werden die Mieter gemeinsam mit dem Erbauer des Hauses erlassen: Ordnung muss sein. Die Mieten sind von dem Tag an, an dem der Boden herrenlos geworden ist, eingefroren. Das ist vernünftig. Für eine Zeit wird die Ungerechtigkeit noch bleiben, denn meist sind die Mieten viel höher als die Abschreibung. Es werden sogar heute in Mietshäusern Mieten gezahlt obwohl die Häuser längst abgeschrieben und manchmal sogar bereits mehrfach abgeschrieben sind. Dieses Erbe müssen wir tragen. Wir haben lange genug zugesehen und können jetzt nicht auf die Anderen zeigen: Die waren es. Unser Väter lasten noch lange auf uns. Ob jetzt auch die Mütter genannt werden müssen?
Jetzt aber sind die Mieten eingefroren.
Natürlich können auch künftig Mieten erhöht werden. Wenn der Vermieter investiert und wir der Investition zustimmen wird die Miete sich erhöhen. Wir wollen nichts geschenkt. Natürlich könnte ein Vermieter die Investition uns schenken und manche Vermieter denken auch anders, lesen bei Lukas und leben anders. Aber meist wird er seinen Mietern zeigen wie hoch die Abschreibung (=Mietzins) für die Veränderungen künftig ausfällt und er wird mit ihnen reden, ihnen erklären, worin seine Arbeit bei diesen Modernisierungen oder Erweiterungen besteht und was diese wert ist. Auf gemeinsamen herrenlosen Grund und Boden, auf dem die Nutzungsrechte der Mieter eingetragen sind, lässt es sich gut miteinander reden, da sind selbst Freundschaften kaum mehr zu vermeiden. Die von Kant halbierte praktische Vernunft kann sich endlich mit der seit Jahrhunderten unterdrückten anderen Hälfte ergänzen.
Edited on: Montag, 19 Oktober, 2020 11:40
Categories: Grund und Boden