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Mittwoch, 08 Januar, 2020
"Nicht jeder ist ein Schuft"
das hat Janusz Korczak ihm gesagt, als er versucht hat ihn davon
abzuhalten, dass er die Kinder bis in den Tod begleitet, die gar nicht
seine eigenen Kinder waren. Stefania Wilcynska war auch dabei als er das
Haus mit den Kindern verließ. Sie war auch nicht die Mutter der Kinder
und wir sollten die Geschehnisse im August 1942 nie vergessen.
Wir wissen nicht, ob auch sie das Recht gehabt hätte zu bleiben. Dieses
Recht spielte für sie auch keine Rolle; auch sie war sich sicher, dass
sie sterben wird als sie das Haus verließ. Beide starben für die
Hoffnung, dass das Menschliche irgendwann aus dem Janusgesicht des
Bürgerlichen Rechts durchbrechen wird für ein Ziel, das nie das Ziel der
Anderen war: Ein Humanismus der Tat, des Lebens und nicht des Geistes,
den die Anderen gern auf ihrem Haupt tragen. So sitzen wir heute
zusammen als einfache Menschen, die wir noch sein dürfen. Das Gesicht
des Bürgerlichen Rechts hat einen Namen: Napoleon Bonaparte; mit
Bajonetten und Kanonen hat er sein Gesicht ab dem Jahr 1804 in Europa
verbreitet. Nur die englische Insel erreichte sein Gesicht nicht. Aber
auch dort hat sich inzwischen auf anderem Wege ein ähnliches Gesicht
eingeprägt und diese Vorlagen dienen längst als feste Form für die
Charaktermasken, da scheint kein Durchbrechen mehr möglich. Auch wir
leben heute unter diesen Charaktermasken, die uns in den bürgerlich
verfassten Gesellschaften von Geburt an aufgelegt und in all den
Lebensjahren ständig angepasst wird. Mit allen Mitteln werden die Masken
Jahr für Jahr beschichtet damit sie hart genug werden. Immer früher und
öfters geschieht das. Korczaks Pädagogik der Achtung darf da nicht
gelehrt werden, die verträgt sich nicht mit diesen Masken. Wenn aber
nicht die erste Schicht gut geformt ist sitzen die späteren nie wieder
ordentlich. Die Eltern müssen sich früh entscheiden. Was
sollen sie tun? Die fremdbestimmte Arbeit, auf die irgendwann ihre
Kinder angewiesen sind, kann niemals mit der Achtung und Würde des
Menschen versöhnt werden. Klar, sie behaupten das anders und haben
zumindest die Würde des Menschen sogar in ihr Grundgesetz geschrieben.
Dort steht es gut, das macht dort aber nichts. Deshalb müssen die Kinder
von Anfang an besser erzogen werden. Es mag noch Menschen geben, die es
mit der Achtung schon bei den Kindern versuchen; sie werden meist als
anthroposophische Sekten abgetan und sind selten unter uns. Sie sind
ausgegrenzt, besuchen eigene Kindergärten und Schulen. Solange sie
sozial nicht wirksam werden duldet man sie. Aber auch sie tragen
Charaktermasken. Auffällig an ihnen ist nur, dass sie oft an ihren
Masken kratzen, was ein klares Zeichen dafür ist, dass diese nicht
ordentlich sitzen; ablegen wollen sie ihre Maske aber nicht. So ganz
menschlich und ungeschützt lauern dann doch überall Gefahren, denen geht
man besser aus dem Weg. Immerhin schützt diese Maske vor der sozialen
Kälte, die trotz Klimawandels sich immer mehr ausbreitet; dafür sorgt
das Recht.
Kein Schuft sein fällt leicht wenn man auf die Vielen um sich herum
zeigt, die auch nicht zu den Schuften gehören wollen. Alle sagen, dass
sie gut sein wollen, doch ein solches Wollen allein genügt nicht, denn
sie lassen keinen Zweifel daran, dass ihr Wollen im Bürgerlichen Recht
seine klaren Grenzen hat. Hier werde das Gute definiert und jeder könne
erkennen wer Schuft und wer keiner ist. Eine Begegnung mit Janusz
Korczak und Stefania Wilcynska halten sie deshalb nicht aus. In seinen
Augen spiegelt sich nicht nur wegen seiner Brille, die er immer trug, um
besser sehen zu können, der Schuft im Menschen, der allein im Recht das
Maß seines Handelns setzt. Wer die Protokolle der Wannsee-Konferenz vom
20. Januar 1942 studiert kann erkennen, dass die Juristen jeden Schritt
der Juden in die Gaskammern mit dem Verwaltungsrecht in Einklang
brachten; darin waren die Deutschen meisterhaft. Sie haben das oft
geübt; skrupellos. Dort in Namibia zeigten sie unter der Zustimmung der
Bürger zuhause, zu was wirkliche Schufte zu leisten in der Lage sind;
dort erprobten sie bereits den Völkermord und die Konzentrationslager.
Sie bestanden auf den empirischen Befund der Tauglichkeit der Lager,
dort erforschten sie die Rassen und schufen wiederum die empirischen
Grundlagen ihrer Rasengesetze, denen sie gerne auch zum Ergebnis
verhalfen und die sie nahtlos in ihr Bürgerliches Gesetzbuch
einpflegten. Mit ihren Charaktermasken unterhielten sie sich mit den
Charaktermasken draußen, die außerhalb ihres Standes ihre Zeitungen
lasen. Der Neger sei eben ein Neger, der kann nichts dafür. Hannah
Arendt schrieb nicht ohne Grund von der Banalität des Bösen.
Posted by Michael Schwegler at 10:19
Edited on: Donnerstag, 30 Januar, 2020 22:10
Categories: Der einfache Mensch
Edited on: Donnerstag, 30 Januar, 2020 22:10
Categories: Der einfache Mensch