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Montag, 24 Februar, 2020
Jeder kann zum Mörder werden.
Diese These bildet den Ausgangspunkt des Dokumentarfilm "Das radikal Böse". Das mag als Grundlage für einen geistigen Pluralismus gelten, den nicht nur der Soziologe Ralf Dahrendorf nach dem schrecklichen letzten Krieg verkündete: Ein geistiger Pluralismus ist aber nie wahr gewesen und verhöhnt nicht nur den Franz Jägerstetter: Der geistige Pluralismus wurzelte schon immer im protestantischen Glauben. Er gestattete, dass der Teufel mit Christus auf die Welt kam und Christus deshalb für die Menschen gestorben ist. Christus muss die Menschen verachtet haben, sonst hätte er das nicht getan. Er hat ihre Schuld auf sich genommen und damit konnte schon immer jeder zum Mörder werden.
Der Oscar-Preisträger („Die Fälscher“) beschäftigte sich mit den Mördern: „Jungen Männern, die in ihren deutschen Uniformen im Zweiten Weltkrieg Tausende Zivilisten erschossen haben, und das scheinbar ohne Reue und ohne Gewissen. [..] Das radikal Böse verdichtet die Tagebucheinträge und Briefe von Soldaten zu einer beklemmenden Montage.“
Für den Regisseur Stefan Ruzowitzky war es „gut nachvollziehbar“, wie die Menschen damals in diese Sache hineingerieten, wie die Anfänge, die ersten Schritte dahin passiert sind. „Man ist in einer Gruppe, in der man nicht nach moralisch-ethischen Grundsätzen handelt, sondern als Mitläufer dabei ist, der nicht blöd auffallen will. Man will kein Kameradenschwein sein. Diese ganzen kleinlichen Gründe, die einem in der Situation wichtiger sind als eine mutige, moralische Entscheidung zu treffen. Da stehe ich sicherlich nicht drüber, gerade in so einer Situation. Aber wo das dann hinführt, gerade, was zum Beispiel das Töten von Kindern betrifft, ist schwer nachvollziehbar. Ab dem Moment, als ich selbst Kinder hatte, hatte ich etwa Probleme damit, mir Filmszenen anzusehen, in denen Kinder getötet werden. Weil ich da zu nahe dran bin und es die ultimative Horrorvorstellung ist, dass deinen Kindern etwas passiert. Damals waren die Täter oft liebende Väter, die nach Hause schreiben, dass ihnen ihre eigenen Kinder so unglaublich wichtig sind und sie gerade deshalb jetzt die Kinder hier erschießen. Da schießt ein Soldat aus zwei Metern Entfernung einem Kleinkind eine Kugel in den Kopf – das ist etwas, wo ich nicht mehr mitkomme und wo für mich auch psychologische Modelle versagen. Mein Interviewpartner Dave Grossman sagt einmal im Film: Du kommst in einen Teufelskreis, denn sobald du einmal etwas Schreckliches gemacht hast, musst du dir einreden: Die haben’s verdient, die sind wirklich Untermenschen und eine Gefahr für mich, für meine Familie, für mein Land. Gerade deswegen muss ich jetzt mit dem Töten weitermachen, um zu bestätigen, dass das kein Versehen war. Man unterzieht sich da selbst einer Gehirnwäsche, um sich nicht damit zu konfrontieren, dass man an einem Massenmord beteiligt war.“ (vgl. https://www.welt.de/kultur/kino/article124056600/Niemand-musste-bei-Erschiessungen-mitmachen.html)
Er weiß scheinbar nicht was er da sagt. Er hätte es wissen können. Selbst ein Kind weiß es wenn mit dem Kind wahrhaft gespielt wird: Ohne Kompass bist du auf einem Meer hoffnungslos verloren wenn kein Himmel über dir ist, wenn die Sterne die Richtung nicht anzeigen, in die jetzt das Schiff gelenkt werden muss: Wir sind verloren, wohin sollen wir jetzt segeln? Jedes Kind wird nachdenken, die entwickelte Ratio anstrengen und Vorschläge machen: Das Kind lernt. Er beschäftigte sich mit den Kindern nur auf eine romantisch sentimentale Art, die heute überall den Kindern angeboten und massenhaft konsumiert wird. So verkehrt sich das (vermutete) anständige Ansinnen des Filmemachers direkt in das Gegenteil: „Das radikal Böse“ wird Anleitung für einfache Menschen, die sich dem geistigen Pluralismus der Postmoderne anschließen und nie einen Kompass in die Hand nehmen, weil ihr Individualismus als Kompass allein taugen soll.
De servo arbitrio: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht (vgl. Röm 6.15-23). Aus dieser Knechtschaft kann nur Christus zur wahren Freiheit befreien (vgl. Gal 5,1.13). Dafür also ist Christus für uns gestorben.
Wenn das der Nazarener gewusst hätte und was hätten Lukas und Matthäus dazu geschrieben? Trotzdem trägt Stefan Ruzowitzky zur Aufklärung bei, wenn er in seiner Dokumentation dann doch noch zum Erasmus kommt und vom „De libero arbitrio“ berichtet: „Man musste nicht an den Erschießungen teilnehmen. Das ist womöglich der schrecklichste Teil dieser Geschichte: Die Verweigerer berichteten, dass sie eine Rüge bekamen, und einer hatte das Gefühl, er wäre bei einer Beförderung übergangen worden oder bekam weniger Freizeit. Das war der Preis, den man dafür zahlen musste, nicht täglich Frauen und Kinder zu erschießen.“
„Die Verweigerer berichteten...“; es gab sie also und solange der Matthäus und der Lukas lebt gibt es sie weltweit. Wir müssen diese Verweigerer im Wissen um das sich wandelnde Klima, das infolge der ungebremsten Verbrennung der Rohstoffe, der Ausbeutung seltener Erden und der jährlich mit stetigen Wachstumsraten durchgeführten Warenproduktion, jetzt zusammenführen. Der Wohlstand, den Evangelikale und bekennende Staatsbürger behaupten, ist ihr Wohlstand und unser zunehmendes Elend. Wir müssen aus der individuellen Isolation heraus und dürfen die Gemeinden nicht mehr dem Paulus überlassen. Die Gesellschaft darf ihnen nicht kampflos überlassen werden. Bei Wahlen müssen wir aufklären bevor die Menschen unbedacht ihr Kreuz setzen. Das Kreuz auf den Gotteshäusern darf bleiben und an ihn erinnern, der von Pontius Pilatus zum Tode verurteilt und gekreuzigt wurde. Er wurde zum Tode verurteilt, weil er die Gesetze der Juden nicht beachtete und nicht, weil er die Schuld anderer auf sich nehmen wollte; die müssen ihr Kreuz selber tragen.
In der neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lema sabachtani! Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen. Die Evangelisten berichten das und deshalb wissen wir, dass Jesus in seiner letzten Stunde Gott suchte. Wir wissen nicht, warum Gott ihn, seinen Sohn, verlassen hat.
Wie ihn hat Gott auch die Kinder des Janusz Korczak und auch die Kinder in Auschwitz verlassen; nicht nur die Kinder, alle hat er verlassen. Wir wissen auch nicht warum Gott in größter Not die Menschen oft alleine lässt. Wir wissen nur, dass viele Menschen, die er alleine gelassen hat auf dem Weg zu ihm waren. Der Grund wird deshalb im Diesseits und nicht im Jenseits zu finden sein. Matthäus und Lukas haben von ihm berichtet und das, von dem sie berichten, ist nicht einfach zu leben. Es zeigt auf ein anderes Leben, das wir im Diesseits meist nicht führen. Deshalb sollten wir zumindest uns gemeinsam um die Richtung kümmern, in die gegangen werden muss wenn wir ihn finden wollen. Wenn wir in diese Richtung gehen kann keiner zum Mörder werden. Jedenfalls dann nicht, wenn wir wahrhaft in die Richtung gehen, in die dieser Jesus, der auch Nazarener genannt wurde, gegangen ist. Hütet euch vor der Richtung, die Paulus mit seinem Christus gegangen ist. Er kämpft seit Jahrtausenden auf der anderen Seite, die wir immer meiden sollten: De libero arbitrio.
Edited on: Sonntag, 17 Januar, 2021 19:26
Categories: Der einfache Mensch